∆1_101006_2.10

Hamburg am 06.10.2010zweiter Tag des zehnten Zyklus

End Zug

Ivan, Schlomo, Teddy King und Mosche

100 x 150cm Kreide auf Schultafel, gelöscht am 13.10.2010

Ivan aus Berlin ist zu Gast. Ghost Rider geht früher, weil er seine Vaterpflichten wahrnimmt. Wir singen nochmal „Der Computer Nr. 3“ und den „Körperzellenrock„. Das Thema des Bildes ist „Stuttgart 21“ und auch das Thema der Knickgeschichte. Los geht’s:

Was für ein Scheißjob. Der Wasserwerfer bewegte sich einen Tick zu schnell vorwärts, so dass er gerade nicht mehr gehen konnte, um Schritt zu halten. Ob er wollte oder nicht, gerade jetzt war das beruhigendste das Holz, das er mit der Faust umschloss. Der Lärm der Trillerpfeifen war ohrenbetäubend. Diese scheiß Demonstranten kotzen mich sowas von an, dachte er. Er wäre jetzt viel lieber zuhause bei Petra, ein wenig fernkucken, ficken und ab ins Bett. Aber nun bin ich hier, umgeben von einem Haufen linker Spinner, die nichts anderes zu tun haben, als normale Leute wie mich zu provozieren. Aber da haben sie sich geschnitten, diese ungewaschenen Schweine. Mein Einheit hat extra gut und extra hart trainiert. Wir lassen und nichts gefallen, wir lassen es gar nicht erst zur Bedrohung kommen. WIR SCHLAGEN ZUERST ZU! Revolution! Scheiß Demonstranten, bei drei geht’s los.

Ich schwitze, mein Knüppel ist hart … bereit. Die Masse zieht mich mit. Laufen, laufen, marsch, MARSCH! Ein Typ kuckt mich an. Ich kucke zurück. Der Knüppel spricht für mich. „Richtig so!“ sagt er. Bestätigung. [ Auslassung wegen Selbstzensur. ] Dann spürte er einen Druck auf der rechten Schläfe.

Er wachte auf. Er war nackt. Er hatte nicht die Spur einer Ahnung davon, wo er war. Er wollte sich umsehen, aber er konnte nicht sehen. Er hatte das Gefühl, glühende Kohlen wären da, wo sonst sein Augen waren. Was für ein Schmerz! Er taumelte sinnlos umher. Verstand es nicht. Wieso er? Wieso heute? Und wieso genau da, wo er am empfänglichsten war? Eigentlich wusste nur seine Frau, dass er eine ganz spezielle erogene Zone hatte. Wie würde er das dem Arzt erzählen? Welchem Arzt überhaupt? Er musste weiter. Aufruhr stoppen.

Er fasste diesen Typen ins Auge. Ein Bodycheck rechts, ein Kick links. In Zeitlupe flog ein Zahn und ein Ästchen Blut aus der Öffnung, die er gerade mit seinem holzverstärkten rechten Unterarm eingeschlagen hatte. Es war die einzige Möglichkeit, damit klar zu kommen, auf der falschen Seite zu stehen. Er sah sich nach dem nächsten Opfer um. Einer von den älteren Demonstranten schwingt sich als Führer auf. Er animiert die Mitkombatanten. Dieser Haufen Fleischdreck formierte sich hinter einer Rhododendronhecke um einen Gegenangriff gegen die Kameraden zu starten, die sichtlich beschäftigt waren, eine Kette Grundschüler von einer alten Platane herunter zu kratzen. Die Drecks-Hippies werden bezahlen für den Widerstand.

Schweine, Wichser, Fotzen! Mir wird schlecht. Er musste kotzen. Wir müssen diesen Abschaum vernichten, sofort! Tot dem Widerstand. Der Schaum stand ihm vor dem Mund. Die mach ich fertig! Fotzen. Im Grunde genommen ist Mama Schuld, wenn ich was falsch mache. Also gibt es nichts zu verlieren! Keine Gnade, keine Gerechtigkeit. Nicht jetzt. Nicht hier, für Niemanden!“ Ich zeige Dir meine Gerechtigkeit – hier. Siehst Du? Das ist meine Moral – DAS ist Gerechtigkeit!“ Er holt aus und der Knüppel trifft. Ein Kind fällt zu Boden. Ein Mann schreit. Was hat er getan? Was habe ich getan? War ich das? Hab ich es getan? Es ist mein Kopf! Meine Gedanken! Jetzt ist er kaputt! Mein Kopf ist zerbrochen. Die Gedanken gehen und sagen Danke. Ein Licht – der Nebel teilt sich und er sieht das bärtige Gesicht von Studienrat H. vor sich, der gerade seine 6b aus Cannstadt verloren hatte. 36 Jahre Studienrat springen dem Polizisten ins Gesicht und das Licht verlöscht für immer.

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